Leiden Sie unter Stress? Fühlen Sie sich häufiger unter Druck oder getrieben? Warum ist das so? Ich meine diese Frage nicht rhetorisch: Warum sind wir gestresst? Das erste, das uns einfällt, sind sicher äußere Faktoren – das ständig klingende Handy, der nervige Chef, die quengelnden Kinder, die vollen Straßen, Oder wenn Sie es etwas allgemeiner und gesellschaftskritischer wollen: Die Beschleunigung, die Globalisierung, der technische Wandel….
An all dem ist etwas dran. Dennoch denke ich, die größte Stressquelle sitzt in uns selbst. Vieles von all dem, was uns Druck macht, sähe ganz anders aus oder wäre schlicht verzichtbar, wenn wir anders mit uns und den Dingen umgehen könnten: Meine Tochter ist jedenfalls gerne dann fordernd und quengelig, wenn ich besonders unter Druck stehe. Dass mein Handy ständig klingelt, kann ich in vielen Situationen einfach ändern. Ich mache es halt aus. Meine Freunde wissen z.B. inzwischen, dass man mich am Wochenende auf dem Ding eh‘ nicht erreicht.
Andere Dinge können wir sicher nicht so leicht abstellen, aber doch anders damit umgehen. Und damit sind wir bei der Stressquelle in uns selbst. Was ich meine, möchte ich gerne an einer Imagination erklären, die ich neulich erlebt habe und die ich mit Erlaubnis des imaginierenden Mannes hier wiedergebe. Bei dieser Imaginationsform lässt man sich einfach vor dem inneren Auge spontan Bilder zu bestimmten Fragen kommen. Das Ganze ist ein bisschen so, als träumte man mit wachem Bewusstsein. Anlass dieser Imagination war ein Konflikt mit seinem Chef, der den Mann stark beschäftigte.
Das Bild, das sich einstellte, zeigte zunächst den Imaginierenden als kleinen jungen, der hektische auf und ab rennt. Erst als der Mann sich dem Kleinen in sich freundlich zuwendet, wird er ruhiger und bleibt stehen. Nach einer Weile zeigt er auf etwas, das ihn tief traurig macht: In einigem Abstand von ihm rennen allerlei Erwachsene im Stechschritt auf und ab. Hin und wieder schreien sie mit angestrengten, verzerrten Gesichtern einen Befehl zu ihm hinüber. Darunter ist auch sein Chef.
Der kleine Junge fragt: „Was machen die denn da? Warum kommen die nicht zu mir? Warum schreien die so?“ Nach einer Weile taucht eine liebevolle Gestalt auf und führt den Jungen weg. Als dieser über eine tote Wurzel stolpert, legt die Gestalt die Hand des Jungen auf diese Wurzel. Da wächst aus dem Holz ein mächtiger, lebendiger Eschenbaum. Der Himmel wird sichtbar und ist voller Sterne. Der bisher tote Boden ist auf einmal voller Leben und der kleine Junge fühlt sich ruhig und tatkräftig. Dasselbe empfindet auch der imaginierende Mann.
Und es wird deutlich, die schreienden, maschierenden Menschen sind hinter einer klaren Grenze gefangen. Sie können nicht in das lebendige Land und wirken nicht mehr bedrohlich.
Wie es scheint, müssen wir hektisch auf und ab maschieren, solange wir uns nicht angenommen und geliebt fühlen. Der kleine Junge jedenfalls wird ruhig in dem Moment, in dem man sich ihm liebevoll zuwendet. Dann wird alles um ihn herum lebendig. Ruhige Tatkraft stellt sich ein. Der Chef ist zwar noch da, aber er wirkt nicht mehr gefährlich.
Manchmal habe ich den Eindruck, ein Großteil unseres Lebens besteht darin, so hektisch hin und herzulaufen, ruhelos, angestrengt, „immer wandernd suchen irgend Ziele“, wie es Hugo von Hoffmansthal ausdrückt. Was müssen wir nicht alles tun, erledigen, erreichen, besitzen und verbrauchen bevor uns jemand – wir uns selbst – einfach liebevoll anschaut und wir merken, es ist gut!
Ja. es ist gut! Nichts weiter ist nötig, es ist gut, – auch dann, wenn immer noch etwas zu tun ist, ist es gut, denn wir müssen nichts mehr erreichen, um uns angenommen und in Ordnung zu fühlen. Es ist gut, einfach so!