In seiner “Politik” beschreibt Aristoteles die Aufgabe der Ökonomie: Sie soll das gute Leben des Haushaltes ermöglichen, nicht weniger – und auch nicht mehr. Das Anhäufen von Geld und Besitz über dieses Ziel hinaus nennt er unnatürlich. Im Mittelalter hat die Kirche mit dieser Charakterisierung übrigens das religiös begründete Verbot, Zinsen zu nehmen, philosophisch untermauert. Nun kann man lange streiten, ob Zinsen nun nützlich oder schädlich sind. Unabhängig von dieser politisch-ökonomischen Frage können uns fragen: Welchen Sinn macht die Anhäufung finanzieller Mittel und materieller Besitztümer für mich ganz persönlich? Gibt es da eine vernünftige Grenze?
Die Antwort auf diese Frage hängt natürlich davon ab, was man denn unter dem “guten Leben” versteht. Für Aristoteles war ein gutes Leben unter anderem durch Muße gekennzeichnet. Unter Muße verstanden die alten Griechen die Zeit, die nicht den Notwendigkeiten des bloßen Überlebens – also etwa der Herstellung von Gütern – gewidmet ist. Diese Muße sollten wir, so rät Aristoteles, nicht einfach verschlafen, sondern einsetzen für Tätigkeiten, die wir nicht nur eines äußeren Zieles wegen verfolgen, sondern die – modern gesprochen – in sich selbst wertvoll sind. Für Aristoteles war dies neben dem Philosophieren unter anderem auch das politische Engagement für das gemeinsame gute Leben in der politischen Gemeinschaft.
Wenn wir hingegen der Werbung glauben, gehören zum guten Leben ganz andere Dinge: ein schönes Haus, ein großes Auto, ein cooler Job, weite Reisen, teures Essen, modische Kleider, das neueste Handy…. Nun, vieles davon ist wirklich schön. Nur, wie wesentlich sind all diese Dinge? Wenn ich Menschen bitte, sich Zeit und Raum zu nehmen, um auf ihr Herz zu hören, dann kommen meist ganz andere Antworten: Da ist von Freunden und Familie die Rede, von Spaziergängen in der Natur, Meditation, Musik, sinnvoller Arbeit. All diese Tätigkeiten würden in modernen Augen sicher auch zur Muße gehören: Sie sind aus unserer Sicht in sich wertvoll.
Wenn ich dann frage, ob sie sich diese Sehnsüchte erfüllen können, ist die Antwort meist: Ja. Und in der Tat hat all das mit mehr oder weniger materiellem Wohlstand nicht viel zu tun. Die meisten von uns können also mit dem zufrieden sein, was sie bereits besitzen. Vermutlich könnten die meisten von uns sich ihre wesentlichen Träume sogar mit wesentlich weniger materiellem Wohlstand verwirklichen.
In dieser Erkenntnis liegt ein großes Stück Freiheit! Vielleicht kann sie auch ein Grund sein, sich weniger vor der Zukunft zu fürchten und die eigenen Prioritäten zu überdenken: Spiegelt mein Leben, das, was mir wirklich wichtig ist – oder wird es bestimmt von Dingen, die für mich nur als Mittel zum guten Leben wichtig sind?